Zürich-West steht wieder zur Debatte
Über die Zukunft des Industriequartiers wird gerade so intensiv diskutiert wie schon lange nicht mehr. Erkennt das politische Zürich nun endlich, was auf dem Spiel steht? Eine Übersicht der Brennpunkte.
Zürich-West steht im Fokus des öffentlichen Interesses. Das klingt erst einmal ernst, finden wir aber im Grunde positiv, denn zu lange wurde weggeschaut und hat jede/r, der/die im Industriequartier eine Parzelle hat, nur für sich gewurstelt. Das scheint sich zu ändern, der Ruf nach einem «Masterplan» für Zürich-West wird lauter.
Das Stadtviertel, eines der innovativsten und dynamischsten an der Limmat, soll besser «kuratiert» werden, um eine lebenswerte Zukunft zu haben, heisst es auf der einen Seite – sie fordert mehr Wohnraum, bessere Erdgeschossnutzungen und attraktive Freiflächen. Die andere Seite, massgeblich renditeorientierte Baugrössen, fordern einen Abbau der bürokratischen Hürden und eine Beschneidung der Einsprachemöglichkeiten, die derzeit vieles blockieren. Und dann gibt es die, welche am liebsten zurück in die Vergangenheit wollen und jede Art der «Gentrifizierung» verteufeln (wir sind es nicht). Nachfolgend drei Themenblöcke, welche die laufende Debatte abbilden.
«Politiker, Kulturschaffende und Anwohner sind der Meinung, dass das Quartier Hardbrücke immer steriler und anonymer wird. Sie fordern publikumswirksame Nutzungen», schreibt das Tagblatt der Stadt Zürich
Ginger Hebel vom Tagblatt der Stadt Zürich widmete der zentralen Verkehrsachse von Zürich-West Ende Juni einen ganzseitigen Artikel, der beschreibt, wie das Gebiet zwischen Bahnhof Hardbrücke und Escher-Wyss-Platz zur «sterbenden Asphaltwüste» geworden ist und wie Politiker nach einer «ordnenden Hand» rufen, um einer weiteren Verödung des Gebiets unter und neben der Hardbrücke entgegenzuwirken. Erwähnt wird auch der einstige Autobahnzubringer, der für heutige Begriffe zu breit und zu stark auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtet sei. Eine mögliche Massnahme gegen das Absterben des Lebens in Zürich-West sei eine rasche Erhöhung des Wohnungsanteils von derzeit 12 auf 30 Prozent sowie eine bewusstere Nutzung der oft leblosen Erdgeschosse im Quartier. Hier geht's zur Online-Version des Artikels im Zürcher Tagblatt.
«Drei Pensionäre greifen die Zürcher Stadtplanung an – mit PR-Tricks und voller Kriegskasse», so die NZZ
Michael von Ledebur und Marius Huber von der «Neuen Zürcher Zeitung» haben die IG Zürich-Hardbrücke porträtiert, welche die jüngsten Debatten um Zürich-West entscheidet mitprägt. Der Kern der Interessengemeinschaft besteht aus dem legendären Journalisten und Ex-Verleger Köbi Gantenbein (früher «Hochparterre»), dem Ex-Holzhändler Martin Seiz von der Hamasil-Stiftung und dem Immobilien-Profi Martin Hofer.
Die NZZ beschreibt das Trio als gut vernetzte, strategisch denkende und finanziell leistungsfähige Bande von alten, aber keinesfalls altmodischen Gesinnungstätern, die nichts weniger als die Stadt retten wollen. Ihr Fokus ilegt auf der Pfingstweidstrasse, dem Maag-Areal, dem Josef-Areal und demnächst auch auf der Hardbrücke, wo eine weitere Intervention der Gruppe in der Pipeline sei. Den durchaus wertschätzenden Artikel, der nebenbei auch die verquere Geschichte der Bau- und Zonenordnung im Industriequartier noch einmal aufrollt, ist bei NZZ online zu finden. Prädikat: lesenswert!
«So eine Bruchbude stehen zu lassen, das ist für mich krank», sagt ein Leser des Tages-Anzeigers über die bedrohten Maag-Hallen
Auch der Tages-Anzeiger berichtete Ende Mai von dem Urteil des Zürcher Baurekursgerichts, das den Einsprachen der Hamasil-Stiftung und des Zürcher Heimatschutzes Recht gibt und dazu führt, dass die vom Abriss bedrohten Maag-Hallen in Zürich-West noch eine Weile in ihrer bisherigen Form stehen bleiben dürfen. Die Swiss Prime Site (SPS) möchte das Areal neu bebauen, muss jetzt aber die Abklärungen zur Schutzwürdigkeit der alten Industriehallen abwarten, was wahrscheinlich lange dauert. Interessant zu lesen sind bei dem Artikel vor allem die Kommentare der Tagi-Abonnenten – da geht es teilweise gehässig zu und her!
«Was absolut unsäglich ist, wenn sich der Denkmalschutz jahrzehntelang für ein Gebäude nicht die Bohne interessiert, sobald aber die Baubewilligung vorliegt und die Bagger bereit stehen (also im ungünstigsten Zeitpunkt!) kommt der Denkmalschutz und sagt, halt, es muss zuerst noch abgeklärt werden, ob das Gebäude schützenswert ist, und der Bauherr darf solange abwarten und zusehen wie sein Geld zerrinnt», regt sich ein Leser auf, während ein anderer fragt: «Wieso muss eigentlich alles plattgemacht werden, damit die Rendite steigt?» – Hier geht's zum Schlagabtausch der Tagi-Leser*innen